Vibrationen

Als Vibrationen werden im Arbeits- und Gesundheitsschutz alle mechanischen Schwingungen bezeichnet, die auf den menschlichen Körper übertragen werden und die zu einer Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten führen können. Je nach Kontaktstelle wird unterschieden zwischen Ganzkörper-Vibrationen (GKV, Schwingungseinleitung über das Gesäß bzw. den unteren Rücken im Sitzen) und Hand-Arm-Vibrationen (HAV, Schwingungseinleitung über die Hände). GKV treten hauptsächlich während des Fahrbetriebes auf Fahrzeugen auf während HAV aus dem Umgang mit handgeführten vibrierenden und/oder schlagenden Werkzeugen und Arbeitsgeräten resultieren wie z.B. Aufbruchhämmer, Rüttelplatten, Vibrationswalzen, Schlagschraubern oder Motorkettensägen.

Abhängig von Art, Intensität und Dauer können Vibrationen bei langjähriger (chronischer) Einwirkung zu Berufskrankheiten führen, die die Lebensqualität aber auch die berufliche Leistungsfähigkeit eines Beschäftigten stark herabsetzen können: z.B. Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule, degenerative Erkrankungen der Knochen und Gelenke des Hand-Arm-Systems, Durchblutungsstörungen an den Händen. Darüber hinaus sind aber auch akute Einwirkungen möglich wie z.B. Verschlechterung der Sehfähigkeit durch Anregung der Augäpfel bei ihrer Eigenfrequenz, Minderung der psychomotorischen Leistung bzw. der Geschicklichkeit, Erschwerung der Atmung und Sprache sowie Reizungen von Darm und Blase durch Anregung der Organe bei ihrer Eigenfrequenz.
Diese akuten Einwirkungen können – wie beim Lärm – zu Störungen des Wohlbefindens und der Konzentration, Störungen der Kommunikationsfähigkeit, Stress, Nervosität und in der Folge zu Fehlleistungen führen, die das Unfallrisiko u.U. erhöhen.

Der Schutz der Beschäftigten vor tatsächlichen oder möglichen Gefährdungen ihrer Gesundheit und Sicherheit durch Vibrationen bei der Arbeit wird in der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrArbSchV) geregelt. Zur Konkretisierung erläuterungsbedürftiger Bestimmungen der LärmVibrArbSchV für die betriebliche Praxis bzw. für die Prävention wurden Technische Regeln (TRLV Vibrationen) veröffentlicht. Sie beschreiben die Vorgehensweise zur Informationsermittlung und zur Gefährdungsbeurteilung nach § 3 LärmVibrArbSchV.

(TRLV Vibrationen Teil 1" Beurteilung der Gefährdung durch Vibrationen") konkretisieren die Planung, Beauftragung, Durchführung und Auswertung von Vibrationsmessungen (TRLV Vibrationen Teil 2) und beschreiben das Vorgehen bei der Festlegung von Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik (TRLV Vibrationen Teil 3).

In der Verordnung sind Auslösewerte und Expositionsgrenzwerte für GKV und HAV festgelegt worden:

Ganzkörper-Vibrationen       
    Auslösewert(1)    A(8) = 0,5    m/s2
           
Expositionsgrenzwert:       

  • in der z-Richtung(2)    A(8) = 0,8    m/s2
  • in x- und y-Richtung(3)    A(8) = 1,15    m/s2

           
Hand-Arm-Vibrationen       
           
    Auslösewert(1)    A(8) = 2,5    m/s2
    Expositionsgrenzwert:    A(8) = 5,0    m/s2
           
    (1)    Auslösewert: Wert, bei dessen Überschreitung (teilweise auch schon bei Erreichen des Wertes) Maßnahmen „ausgelöst“ werden
    (2)     z-Richtung = Achse der Wirbelsäule
    (3)    x-Richtung = Rücken-Brust
y-Richtung = Schulter-Schulter

Die Vibrationsbelastung am Arbeitsplatz wird als Tages-Vibrationsexpositionswert A(8) auf 8 Stunden bezogen. Die Beurteilung erfolgt durch Vergleich des A(8) mit den Auslösewerten und Expositionsgrenzwerten. Beurteilungsgröße für HAV ist der Schwingungsgesamtwert ahv (Vektorsumme) aus den frequenzbewerteten Beschleunigungen aller drei Schwingungsrichtungen, aus dem der A(8) berechnet wird. Um den A(8) für GKV zu bilden, werden die frequenzbewerteten Beschleunigungen awx, awy, awz der drei Schwingungsrichtungen direkt benötigt (kein Schwingungsgesamtwert). Zusätzlich braucht man die Einwirkungsdauer (Expositionszeit). Alle weiteren Berechnungen des A(8) können dann mit Kennwertrechnern im Internet durchgeführt werden.

Wird eine Überschreitung der Auslöse- oder Expositionsgrenzwerte festgestellt, sind folgende Maßnahmen durchzuführen:

Überschreitung der Auslösewerte:

  • Beschäftigte informieren und über die Gefahren durch Vibrationen unterweisen
  • Vibrationsminderungsprogramm aufstellen und durchführen
  • Arbeitsmedizinische Vorsorge gemäß Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) anbieten


Überschreitung der Expositionsgrenzwerte  :

  • Sofort Maßnahmen ergreifen und weitere Überschreitung verhindern
  • Regelmäßige arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge gemäß ArbMedVV veranlassen


(Quelle: Institut für Arbeitsschutz (IFA) bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung)

Gefährdungsbeurteilung

Der Arbeitgeber hat nach § 5 ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz) die Pflicht, eine Gefährdungsbeurteilung nach § 3 LärmVibrArbSchV (Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung) für die Arbeitsplätze seiner Beschäftigten zu erstellen und dabei die auftretenden Expositionen durch Vibrationen fachkundig zu ermitteln und zu bewerten sowie bei Überschreitung der Auslösewerte geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten und durchzuführen. Die notwendigen Schutzmaßnahmen sind in der Rangfolge:

  • Technisch
  • Organisatorisch
  • Persönlich

festzulegen. D.h., dass technische Vibrationsminderungsmaßnahmen (z.B. Austausch eines starren Polstersitzes in einem Fahrzeug gegen einen luftgefederten Fahrersitz oder schwingungsisolierte Handgriffe an einer Motorkettensäge) immer Vorrang haben vor z.B. Expositionszeitbegrenzungen (organisatorisch) oder dem Einsatz von Vibrationsschutzhandschuhen (persönlich).

Zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich vibrationsbedingter Belastungen und abzuleitender Schutzmaßnahmen geben die TRLV Vibrationen Teil 1, TRLV Vibrationen Teil 3 sowie das EU-Handbuch Ganzkörper-Vibration und das EU-Handbuch Hand-Arm-Vibration wertvolle Hinweise, u.a. auch zur Beschaffung von Schwingungsbelastungsdaten wenn nicht gemessen werden soll oder kann. Sollen zur Beurteilung von HAV im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung Emissionsdaten der Hersteller verwendet werden ist Ziffer 4.2.4 sowie die Korrekturfaktoren in Anlage 1 der TRLV Vibrationen Teil 1 zu beachten. Hinweise zur Verwendung von Herstel-lerangaben aus Betriebsanleitungen im Rahmen der Beurteilung von HAV finden sich auch im Fachausschuß-Informationsblatt Nr. 017. Der Hersteller oder Inverkehrbringer einer Maschine bzw. eines Arbeitsgerätes muss nach Ziffer 2.2.1.1 und 3.6.3.1 im Anhang 1 der Maschinenrichtlinie 2006-42-EG in der Betriebsanleitung, ggf. auch im Verkaufsprospekt Angaben zu den von der Maschine oder dem Arbeitsgerät auf das Hand-Arm-System oder auf den gesamten Körper übertragenen Vibrationen machen.

Für die konkrete Ursachenermittlung sollte die Fachkunde von Experten, wie Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten und Betriebsärztinnen sowie externer Berater genutzt werden. Unterstützung können gegebenenfalls auch die Aufsichtspersonen der Unfallkasse NRW bieten.Die Unfallkasse NRW bietet alle zwei Jahre in Ihrem Seminarprogramm Seminare für Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte und Betriebsärztinnen und Fachpersonal, das sich mit der Lärm- und Vibrationsproblematik auseinander setzen muss an,  um für die Komplexität der Problemstellungen sensibilisiert zu werden und Hintergrundinformationen sowie weiterführende Informationen zu erhalten. Im Rahmen von Forschungsprojekten zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) führt die Unfallkasse NRW chemische, biologische und physikalische Messungen verschiedenster Parameter durch.