Arbeitsbedingungen im Jobcenter

Beschäftigte in den Jobcentern sind vielfältigen Arbeitsbelastungen ausgesetzt, die an und manchmal auch über die Grenzen ihrer Belastbarkeit gehen können. Das geht aus den umfassenden Untersuchungen zum Projekt „abba – Arbeitsbelastungen und Bedrohungen in Arbeitsgemeinschaften nach Hartz IV“ hervor, das die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) in Zusammenarbeit mit fünf Unfallkassen der öffentlichen Hand in zwölf Jobcentern von 2008 bis 2010 durchführte. In NRW haben sich die Jobcenter StädteRegion Aachen, Rhein-Sieg-Kreis, Rhein-Erft-Kreis und das Sozialbüro Euskirchen am abba-Projekt aktiv beteiligt. Ziel des Projektes war es, geeignete Präventionsmaßnahmen zu ermitteln und zu erproben, die die Arbeitsbelastungen verringern können. Das heißt: gesündere Arbeitsbedingungen und mehr Sicherheit vor Übergriffen für die Beschäftigten zu schaffen.

Im Jahr 2008 wurden in einer detaillierten Befragungen (Ergebnisse im Zwischenbericht) Facetten der psychischen Arbeitsbelastungen und deren Folgen für die Gesundheit der Beschäftigten, die unterschiedlichen Formen der erlebten Gewalt, die allgemeine Sicherheitslage und der Stand des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in den Jobcentern untersucht. Im Frühjahr 2010 wurden die Beschäftigten ein zweites Mal befragt um festzustellen, ob sich die Arbeitssituation durch die verschiedenen im Projekt umgesetzten Maßnahmen positiv verändert hat. Die genauen Zahlen zu den Belastungsprofilen der verschiedenen Tätigkeitsgruppen, den Beanspruchungsfolgen und den Formen der erlebten täglichen Gewalt und zur Projektevaluation können im Abschlussbericht zum abba-Projekt nachgelesen werden.

Ergebnisse Belastungen und emotionale Erschöpfung (Burn-out)
Als besonders belastend erleben die Beschäftigten in den Jobcentern die Faktoren

 

  • Arbeitsmenge
  • Handlungsspielraum (Einfluss) bei der Arbeit
  • Verbundenheit mit dem Arbeitsplatz und Bedeutung der Arbeit
  • Rollenkonflikte.

Der Vorher-Nachher-Vergleich zeigt: trotz zahlreicher Präventionsmaßnahmen haben sich im Belastungsempfinden der Beschäftigten kaum Veränderungen ergeben. Verbessert hat sich aber die wahrgenommene Belastung durch quantitative Anforderungen (Arbeitsmenge). Allerdings unterscheiden sich die Beschäftigten der verschiedenen Tätigkeitsbereiche stark in ihrem Belastungserleben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Leistungsabteilung geben eine deutlich höhere Belastung durch die Arbeitsmenge an als die Beschäftigten der Vermittlungsabteilung.Die besondere Belastungssituation spiegelt sich auch in den Angaben zu der allgemeinen emotionalen Erschöpfung (Burn-out) wider. In Folge der andauernd hohen Arbeitsbelastungen kommt es an einzelnen Standorten gehäuft zu psychosomatischen Beschwerden. Die emotionale Erschöpfung (Burn-out) hat sich im Verlauf des Projektes kaum verbessert und befindet sich auf einem sehr hohen Niveau. Die Beschäftigten der Leistungsabteilung zeigen eine deutlich stärkere Symptomatik als die Vermittlungsabteilung.Ergebnisse Erlebte Formen von GewaltEs scheint, dass seit der Einführung des Arbeitslosengeld II die Mitarbeiter der Jobcenter für viele Kunden ein direktes Spiegelbild der Hartz IV-Gesetze sind. Täglich erleben die Beschäftigten schwierige gewaltbeladene Situationen. Die Erscheinungsformen der Gewalt mit denen sie  konfrontiert werden, sind vielschichtig: sie reichen von geringen bzw. subtilen Beleidigungen bis hin zu Gewaltszenarien, die das Eingreifen von spezialisierten Polizeieinheiten erforderlich machen. Massive Übergriffe (Bedrohung, körperliche Angriffe, sexuelle Aggression) stellen jedoch die sehr seltene Ausnahme im beruflichen Alltag der Beschäftigten dar. Mehrmals in der Woche erleben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern dagegen verbale Aggressionen (Beschimpfen, Beleidigen, unangepasstes Sozialverhalten), Randale bzw. Sachbeschädigungen. Ca. 60 % der Befragten fühlen sich gelegentlich an ihren Arbeitsplätzen unsicher bzw. bedroht. Dass Maßnahmen zur Gewaltprävention das Übergriffsgeschehen reduzieren, zeigen eindrucksvoll die Ergebnisse der Zweitbefragung. Im Vergleich zur Erstbefragung haben sich die Zahlen zu den erlebten Formen der Gewalt zum Teil deutlich verringert. Ergebnisse Arbeitsschutz- und GesundheitsschutzFragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zählten nicht zu den vordergründigen Projektzielen – trotzdem hat dieser Aspekt der Arbeitsgestaltung besonders vom „abba“-Projekt profitiert. Bei den Begehungen konnten strukturelle Defizite (z. B. fehlende Pflichtenübertragung von Aufgaben im Arbeitsschutz, kein Arbeitsschutzausschuss, unklare Zuständigkeiten bei der Organisation der Ersten Hilfe, der arbeitsmedizinischen Vorsorge und der Prüfung von elektrischen Betriebsmitteln) und z.T. gravierende Mängel in der Umsetzung von Arbeitsschutzvorschriften (z. B. fehlende Gefährdungsbeurteilung, fehlende Unterweisung, technische und bauliche Unzulänglichkeiten) aufgezeigt werden. Eine Vielzahl von technischen und organisatorischen Defiziten konnte noch während der Projektlaufzeit beseitigt werden, auch wenn die zeitliche Umsetzung aufgrund unklarer Zuständigkeiten oftmals zu lang und für die Beschäftigten wenig nachvollziehbar war.

Diskussion der Ergebnisse mit Experten
Auf der Fachtagung am 06. und 07.05.2011 in Dresden wurden die wichtigsten Ergebnisse des abba-Projektes vorgestellt und mit den über 100 Verantwortlichen aus Jobcentern des gesamten Bundesgebiets diskutiert. Dabei zeigte sich, dass es viele verschiedene Faktoren sind, die die Arbeitsbedingungen in den Jobcentern ungünstig beeinflussen. Die Ergebnisse der Fachtagung sind in der Fotodokumentation zusammengestellt.

 

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Dirk Eßer

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