Rückwärtsfahrt von Müllentsorgungsfahrzeugen
Das Rückwärtsfahren und das Zurücksetzen von Abfallsammelfahrzeugen stellen aufgrund der Größe und der Unübersichtlichkeit der Fahrzeuge so gefährliche Verkehrsvorgänge dar, dass darauf verzichtet werden sollte.
Deshalb wurde auch schon 1979 mit der Unfallverhütungsvorschrift (DGUV Vorschrift 44) ein wesentliches Schutzziel für die Abfallsammlung definiert, das auch heute noch Bestand hat: „Müll darf nur abgeholt werden, wenn die Zufahrt zu Müllstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist“ (§ 16 Nr. 1). Die Beachtung dieser Unfallverhütungsvorschrift ist eine Verpflichtung für die Entsorgungsunternehmen.
Mit der GUV-Regel „Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten der Abfallwirtschaft; Teil 1: Sammlung und Transport von Abfall“ (GUV-R 114-013), wurde in 2007 das Regelwerk konkretisiert und den Entsorgungsbetrieben Hilfestellungen an die Hand gegeben, wie sie die Abfallsammlung sicher durchführen können. Danach sind „Sammelfahrten so zu planen, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist“. Als erforderliche Maßnahme beschreibt die Regel u.a., „dass der Unternehmer im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung Sackgassen, Zufahrten, Bereitstellungsplätze und Arbeitsabläufe dahingehend prüft, ob die Beschäftigten Abfälle gefahrlos abholen können“.
In den letzten Jahren hat sich das Arbeitsschutzverständnis und die Vorgehensweise im Arbeitsschutz weiterentwickelt. Mit dem Arbeitsschutzgesetz von 1996 und der daraus resultierenden Verpflichtung, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, wurde das grundlegende Instrument des modernen Arbeitsschutzes geschaffen. Gefährdungsbeurteilung bedeutet, dass ein Unternehmer die Gefährdungen und Belastungen, denen seine Beschäftigten bei der Arbeit ausgesetzt sind, ermitteln muss, um festzustellen, ob seine bisherigen Arbeitsschutzmaßnahmen ausreichend oder weitergehende Maßnahmen erforderlich sind. Mit der Gefährdungsbeurteilung legt der Unternehmer eigenverantwortlich die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen für seinen Betrieb fest.
In Einzelfällen kann die Entscheidung eines Abfallsammelbetriebes, den gewohnten Bereitstellungsplatz der Abfallsammelbehälter nicht mehr anzufahren, den Unmut der Anwohner hervorrufen. Hier bedarf es der Kommunikation mit den Beteiligten und der Suche nach Alternativen, wie z. B. dem Einsatz von kleineren Abfallsammelfahrzeugen oder den längeren Transport der Abfallsammelbehälter als Serviceleistung durch den Abfallsammelbetrieb durchführen zu lassen. Erwähnt sei noch, dass die Rechtsprechung hierzu eindeutig ist und die Vorgehensweisen der Abfallsammelbetriebe, die so den Schutz ihrer Beschäftigten gewährleisten, von den Gerichten bestätigt werden.
Durch Auswertung des Unfallgeschehens in der Abfallwirtschaft (2008 - 2009) wurde von der Unfallkasse NRW für den Bereich Westfalen-Lippe festgestellt, dass 30 Beschäftigte bei der Abfallsammlung von Fahrzeugen angefahren wurden. Davon wurde bei 6 Unfällen der Einweiser vom eigenen, rückwärts fahrenden Abfallsammelfahrzeug angefahren. Es ist einfach nur Glück oder Schicksal, dass bei diesen Unfällen niemand zu Tode kam. Ein mögliches Schadensausmaß (leichte, schwere oder tödliche Verletzungen) kann bei derartigen Unfällen und bei vielen anderen betrieblichen Situationen in der Abfallsammlung nicht vorhergesagt werden. Es ist eine generelle Aufgabe für die Unternehmen und für einen Unfallversicherungsträger sowie ein Grundsatz der gesetzlichen Unfallversicherung, Unfälle mit allen geeigneten Mitteln zu verhüten.
Die Tätigkeiten bei der Abfallsammlung sind mit einem sehr hohen Restrisiko verbunden. Permanent vorhandene Gefahrenquellen, wie z. B. der Straßenverkehr oder der Aufenthalt im Wirkungsbereich eines Abfallsammelfahrzeuges, können durch technische Maßnahmen nicht oder nur bedingt beseitigt werden. In diesen Fällen kommt den betrieblichen Unterweisungsmaßnahmen ein besonderer Stellenwert zu.
Sichere Verhaltensweisen lassen sich nur durch regelmäßige Unterweisungen und praxisorientierte Übungen erreichen, mit denen den Beschäftigten das erforderliche Wissen und die Fähigkeiten für die sichere Durchführung ihrer Tätigkeiten vermittelt werden.
Gleichzeitig hat der Unternehmer im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung die Pflicht dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten Abfälle gefahrlos abholen können. Die Unkenntnis des Unternehmers über mögliche Gefahrenstellen und die Nichtbeachtung gesetzlicher Arbeitsschutzvorschriften bedeuten, dass der Unternehmer seine Verantwortung nicht wahrnimmt und dass vor allen Dingen, die Beschäftigten, mit allen möglichen Konsequenzen, sich selbst überlassen sind.
Die Unfallkasse NRW hat die Thematik „Rückwärtsfahren“ von Abfallsammelfahrzeugen schon frühzeitig aufgegriffen und entsprechende Hilfestellungen zur Verfügung gestellt. Seminare für Führungskräfte und für Sicherheitsbeauftragte sowie dass Städte übergreifende Netzwerk „Abfallsammlung“ der Unfallkasse NRW helfen bei der Sensibilisierung der Mitgliedsbetriebe zu dieser Thematik. Daneben greift natürlich auch der Beratungs- und Überwachungsauftrag, den jeder Unfallversicherungsträger kraft Gesetzes hat.
Ein Erfolg der präventiven Anstrengungen der Unternehmen und der Unfallkasse NRW zeichnet sich ab. Neuerliche Unfallauswertungen (2013 - 2014) zeigen, dass „nur“ noch 8 Personen von anderen Verkehrsteilnehmern angefahren wurden. Beschäftigte wurden in diesem Zeitraum von rückwärts fahrenden Abfallsammelfahrzeugen nicht verletzt.
Arbeitsschutzvorschriften und die präventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger wenden sich an Unternehmer und an Beschäftigte. Gleichwohl können bei Unfällen auch unbeteiligte Dritte betroffen sein. Regelmäßig kommen bei Rückwärtsfahrten von Abfallsammelfahrzeugen in Deutschland auch Anwohner oder Passanten zu Tode. Als Letztes ein Anwohner im Februar 2015 in Nordrhein-Westfalen, der im Zuständigkeitsbereich der Unfallkasse NRW von einem rückwärts fahrenden Abfallsammelfahrzeug überrollt wurde.
Auch unser Spitzenverband, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), hat Information zum Thema ins Netz gestellt. Sie finden Sie hier.